Hell is Us auf der PlayStation 5 ist kein typischer Action-Adventure-Titel, sondern ein mutiger Versuch, Spielerinnen und Spieler mit einem ganz eigenen Ansatz herauszufordern. Statt den Weg mit Markierungen, Questzielen oder blinkenden Symbolen zu pflastern, vertraut das Spiel auf Intuition, Erkundungsdrang und die Fähigkeit des Spielers, sich in einer feindlichen, mysteriösen Welt zurechtzufinden. Schon in den ersten Minuten wird klar: Dieses Spiel will dich nicht führen, es will dich verlieren – um dich dann langsam wieder auf den richtigen Pfad zu bringen.

Die Geschichte dreht sich um Rémi, einen Mann, der in ein vom Bürgerkrieg verwüstetes Land zurückkehrt, um seine eigene Vergangenheit zu verstehen. Dabei stößt er auf eine unheimliche Präsenz, die sich in Form geisterhafter Kreaturen manifestiert. Diese Wesen, halb mystisch, halb außerirdisch, reagieren nicht auf klassische Waffen, sondern verlangen den Einsatz einer besonderen, mystischen Klinge. Hell is Us schafft es, den inneren Konflikt des Protagonisten geschickt mit dem Chaos der Außenwelt zu verweben. Der Ton des Spiels ist ernst, die Atmosphäre dicht, und vieles bleibt bewusst ungesagt. Statt ausführlicher Erklärungen setzt das Spiel auf Interpretation – man entdeckt, beobachtet, zieht eigene Schlüsse. Das Ergebnis ist eine Erfahrung, die sowohl faszinierend als auch verstörend ist.

Gameplaytechnisch bewegt sich Hell is Us zwischen klassischem Action-Adventure und Erkundungsspiel. Kämpfe sind selten, aber intensiv. Wenn man einer dieser schattenhaften Kreaturen begegnet, spürt man sofort die Bedrohung. Jeder Schlag, jedes Ausweichen zählt. Das Kampfsystem wirkt bewusst reduziert, dafür umso gewichtiger. Statt hektischem Button-Mashing geht es um das richtige Timing, um Geduld und Präzision. Besonders die Nahkampfelemente fühlen sich kraftvoll an, auch wenn sie nicht immer perfekt animiert sind. Ein Treffer sitzt, ein Fehler kann tödlich enden.

Das Spiel verzichtet komplett auf eine Karte oder Wegpunkte. Diese Entscheidung ist zugleich mutig und polarisierend. Einerseits entsteht dadurch eine authentische, glaubwürdige Welt – man muss sich orientieren, auf Umgebungsgeräusche achten, Landmarken erkennen. Andererseits kann das zu Frust führen, wenn man nach längerem Umherirren immer noch nicht weiß, wo das Ziel liegt. Für viele wird genau das jedoch den Reiz ausmachen: Hell is Us ist kein Spiel, das einen an der Hand nimmt. Es ist eine Reise ins Ungewisse, die Aufmerksamkeit und Geduld verlangt.

Technisch überzeugt das Spiel in vielen Bereichen. Die Grafik ist atmosphärisch stark, auch wenn sie nicht immer auf dem Niveau großer AAA-Produktionen liegt. Die Landschaften sind karg, zerbrochen, aber eindrucksvoll gestaltet. Besonders das Licht spielt eine große Rolle – Sonnenstrahlen brechen durch den Staub, Nebel legt sich über zerstörte Ruinen, und Schatten tanzen an den Wänden. Diese visuelle Dichte verstärkt das Gefühl von Isolation und Gefahr. Charaktermodelle sind solide umgesetzt, wenngleich die Gesichtsanimationen manchmal etwas steif wirken. Dafür beeindruckt die Weltgestaltung mit Detailverliebtheit und einer glaubhaften Kulisse.

Akustisch gehört Hell is Us zu den immersivsten Spielen seiner Art. Der Soundtrack bleibt meist im Hintergrund, erzeugt aber mit tiefen, hallenden Tönen ein Gefühl ständiger Anspannung. Besonders beeindruckend ist das Geräuschdesign: Wind, das Knacken alter Holzbalken, entfernte Explosionen, Schreie, die aus dem Nebel hallen – alles fügt sich zu einer Klanglandschaft zusammen, die unter die Haut geht. Mit einem guten Headset wird jede Begegnung, jedes Geräusch zu einem Teil der Erfahrung. Die Mischung aus Stille und plötzlichem Lärm wirkt oft intensiver als jede Musikuntermalung.

Die Steuerung ist grundsätzlich solide, aber nicht perfekt. Rémi bewegt sich etwas träge, besonders beim schnellen Richtungswechsel. Auch das Zielsystem bei Ausweichmanövern könnte präziser sein. Dennoch fühlt sich der Kampf durch das Gewicht der Schläge und die gute DualSense-Integration intensiv an. Der adaptive Trigger-Widerstand vermittelt den Druck des Schwertes, während die Vibration die Energie der mystischen Waffen zum Leben erweckt. Es ist spürbar, dass die Entwickler auf Immersion gesetzt haben.

Inhaltlich bietet Hell is Us keine überbordende Spielzeit, dafür aber eine dichte, intensive Erfahrung. Die Welt lädt zum Erkunden ein, und wer sich auf den Rhythmus des Spiels einlässt, wird belohnt – nicht mit Beute oder Erfahrungspunkten, sondern mit Erkenntnis. Kleine Rätsel und Geheimnisse verstecken sich in der Umgebung und lassen sich nur durch genaues Hinschauen entdecken. Das Spiel vertraut darauf, dass man neugierig bleibt, dass man nicht alles sofort versteht.

Hell is Us ist kein Spiel für jeden. Es richtet sich an Spielerinnen und Spieler, die Geduld und Entdeckergeist mitbringen. Es ist kein Titel, der mit Bombast oder Überfluss punktet, sondern mit Atmosphäre, Subtilität und psychologischer Tiefe. Die Kämpfe sind herausfordernd, aber selten, die Welt bedrückend, aber faszinierend. Manche werden frustriert aufgeben, andere werden genau darin eine der ehrlichsten Spielerfahrungen der letzten Jahre sehen.

Hell is Us Review
Gameplay
82
Grafik
88
Sound
91
Steuerung
79
Leserwertung0 Bewertungen
0
Positiv
Dichte, beklemmende Atmosphäre mit starkem visuellen Stil
Mutiger Verzicht auf Karten und Marker für ein intensives Erkundungserlebnis
Kraftvolles Kampfsystem mit Bedeutung in jedem Treffer
Herausragendes Sounddesign und stimmungsvolle Akustik
Emotionale und interpretierbare Geschichte mit Tiefgang
Negativ
Orientierung kann ohne Karte zu Frust führen
Steuerung etwas träge und gelegentlich unpräzise
Begrenzte Gegner- und Waffenvielfalt
Kürzere Spielzeit als erwartet
Technische Feinheiten wie Gesichtsanimationen nicht auf Top-Niveau
85

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